Dr. med. Dr. paed.
      Dietger Heitele × Arzt ×
    Psychotherapie
    Facharzt für psychotherapeutische Medizin
    Merkblatt zur Angstneurose, Herzneurose, Panikattacken
    Irgendwann trifft es wie den Jungen im Märchen, der auszog das
    Gruseln zu lernen, sehr viele Menschen, gerade solche, die beruflich und privat mit beiden
    Beinen scheinbar auf dem Boden stehen. Sie erleben die Angst ganz existentiell.
    Aus geringfügigem Anlaß spüren sie plötzlich, daß sie ein
    Herz haben, das immer schneller schlägt, Schweißausbrüche, Brustdruck stellen sich ein,
    was sich über einen Teufelskreis bis zur Todesangst steigert. Die Befürchtung eines
    Herzinfarkts führt dann zur Notwendigkeit der sofortigen diagnostischen Abklärung im
    nächsten Krankenhaus, wo meist ein Normalbefund erhoben wird. Danach findet eine Odyssee
    von Arzt zu Arzt statt. Erst ist der Hausarzt an der Reihe, dann der Internist, dann der
    Kardiologe mit Belastungs EKG und Langzeit EKG. Dann werden weitere diagnostische Methoden
    erwogen evt. sogar Herzkatheter. Medizinische Randdisziplinen schließen sich an, es
    könnte ja auch eine Allergie sein, die auch meistens gefunden wird, da heutzutage kaum
    ein Mensch noch allergiefrei ist. Eine depressive Verstimmung gibt Anlaß für eine
    Überweisung zum Neurologen. Schon hier ist kritisch zu fragen, ob das Ei oder das Huhn
    zuerst da war, was heißt: ist die depressive Verstimmung Ursache oder Resultat der
    ergebnislosen Untersuchungen. Das nächste Stadium ist meistens eine REHA Maßnahme, die
    oft kurzzeitige Besserung bringt. 
    Die alten Ärzte ohne das heutige differenzierte Werkzeug haben
    schon vor langer Zeit die Faustregel aufgestellt: treten Brustbeschwerden unter
    körperlicher Belastung auf, handelt es sich meistens um eine organische Herzerkrankung,
    treten sie aus dem Zustand der Ruhe heraus plötzlich auf, handelt es sich meistens um
    psychische Ursachen oder um seltene extracardiale Ursachen wie Allergien, Hormonstörungen
    oder Störungen, die ihren Grund in Nachbarorganen z.B. Darm, Gallenblase oder
    Bauchspeicheldrüse hat. Trotz dieses Wissens dauert es in Deutschland immerhin
    durchschnittlich 8 Jahre, bis ein solcher Patient beim Psychotherapeuten vorstellig wird.
    Auch der findet meist nicht auf Anhieb die entscheidende Ursache, aber zumindest beginnt
    eine gezielte , sachadäquate Behandlung, welche zunächst u.U. das Leiden nicht sofort
    bessert. Auch in einer therapeutischen Beziehung treten Krisen auf, aus denen wiederum
    auch Panikattacken entstehen. Wenn die Behandlung effizient ist, ist allerdings damit zu
    rechnen, daß die Anfälle immer seltener werden, auf die zeitliche
    Längsschnittbetrachtung bezogen.
    Viele Patienten sagen an dieser Stelle: meine private und
    berufliche Welt ist völlig in Ordnung. Ich habe keine Probleme. Die Vorstellung, daß
    auch unbewußte Prozesse, die ihre Wurzeln in Kinderängsten oder Kinderproblemen haben,
    und gewissermaßen nach Jahrzehnten des Schlafes wieder reaktiviert wurden, ist ihnen sehr
    fremd und induziert wenig Motivation zu einer Psychotherapie. Der Patient sagt: Mein
    Hausarzt meint, es kann eigentlich nur noch psychisch sein und denkt dabei:
    "eigentlich glaube ich nicht daran, aber ich will nichts versäumen.
    Andere Patienten ahnen den Grund für ihre Beschwerden in einer
    gestörten Beziehung, die sie aber unbedingt aufrecht erhalten wollen und wittern in
    Therapeuten nur Gurus, die darauf aus sind, Patienten sich durch Auflösung von
    Beziehungen innerlich zu befreien. Dem ist sicherlich nicht so, die weitaus größere Zahl
    von Beziehungen bessert sich, wenn einer der beiden Partner für sich eine Therapie macht.
    Manche Patienten brauchen das Symptom um Schuld und
    Gewissensfrei eine Frühberentung durchzuziehen und wehren sich deswegen unbewußt gegen
    eine Therapie. Ihnen sei gesagt, daß eine Therapie nicht primär beabsichtigt, einen
    Patienten ins Erwerbsleben wieder einzugliedern.
    Selbst die Patienten, die für eine Therapie ausgesprochen
    motiviert sind, sind schon mal reserviert und sagen dann: schön und gut, wenn mir eine
    Langzeittherapie hilft, aber was mache ich jetzt, wenn mich die Panik plötzlich
    überfällt.
    Im Zeitalter der Telekommunikation ist es wichtig, hier einen
    menschlichen Arzt, keinen Mediziner, oder Therapeuten zu haben, der auch schon mal
    telefonisch erreichbar ist. Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Panik allein dadurch
    weggeht, daß am Ende der Leitung ein verständnisvoller Zuhörer ist.
    Das effektivste Mittel ist meist von jemandem in den Arm
    genommen zu werden, gegenständlich, was z.B. im Büro wegen der Gefahr von
    Mißverständnissen nicht unbedingt als Allheilmittel empfohlen werden kann, oder
    symbolisch z.B. durch einen Kurzbesuch bei einem verständnisvollen Arzt, der den
    Patienten ernst nimmt.
    Dann gibt es, schließlich ist jedes chronische Symptom
    Abkömmling mehrerer Ursachen, vornehm ausgedrückt ist es multifaktoriell, auch günstige
    und ungünstige diätetische Faktoren. Als angstauslösend wird im allgemeinen Kaffee und
    Tee gesehen, als angstlösend für Nichtalkoholiker ein kleiner Schuß Alkohol. Eine
    günstige Wirkung können auch kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Schokolade, Nudeln,
    Traubenzucker haben, wobei eine leichte begleitende Unterzuckerung in manchen Fällen
    mitspielen mag.
    Medikamentös wird von Internisten oft ein Betablocker als
    Dauertherapie eingesetzt, der die unangenehmen Herzbeschwerden zumindest teilweise
    abblockt, aber wie der Name sagt, auch andere Ausdrucksformen des vegetativen System
    blockt.
    Nervenärztlich werden verschiedene Medikamente eingesetzt,
    z.B. Tranquilizer (Valium und seine Derivate), die tatsächlich sehr gut wirken aber auch
    ein hohes Suchtpotential haben und eigentlich nur in Ausnahmefällen berechtigt sind, z.B.
    wenn ein Student, der schon einmal in der Abschlußprüfung versagt hat, nun unbedingt die
    Wiederholungsprüfung schaffen will, damit er nicht als Ausbildungsruine übrig bleibt.
    meist kommen solche Patienten auch erst 5 Minuten vor 12, so daß eine Gesprächstherapie
    gar nicht mehr möglich ist.
    Manchmal wird die allerorts bekannte Wochenspritze Fluspirilen
    (Handelsnamen erfahren Sie von Ihrem Arzt oder Apotheker) eingesetzt. Da Panikattacken
    aber meist bei noch jungen Menschen eintritt und bei diesem Medikament Spätdyskinesien (=
    Nervenstörungen=) nicht ausgeschlossen sind, kann diese Methode nicht unbedingt empfohlen
    werden. Inzwischen sind die sogenannten SSRI Medikamente (Paroxetin, Citalopram,
    Mirtazapin) oder neuere Neuroleptika (Venlafaxin, Seroquel) auf de Markt, die manchmal
    schon flächendeckend ein gesetzt werden.
    Andere nervenheilkundliche Medikamente kommen immer wieder auf
    den Markt, ob damit die Urproblematik gelöst wird, ist mehr als fraglich.
    Johanniskraut schadet zumindest nicht, manchmal lindert es die
    Symptomatik. In der Homöopathie sind viele Angstmittel bekannt, z.B. Aconitum, argentum
    nitricum oder Phosphor, für die Handhabung bedarf es allerdings sehr großer
    homöopathischer Erfahrung. Außerdem ist eine klassische homöopathische Behandlung trotz
    ständiger gegenteiliger Beteuerungen der Vertragskassen keine Kassenleistung, sondern
    wird im allgemeinen privat liquidiert. Nun gut, wenn es hilft, ist jeder Panikpatient zur
    Zuzahlung bereit.
    Diverse Mikronährstoffe wie B Vitamine, GABA u.ä. sind
    unterstützend sehr geeignet. Hierzu sind aber wiederum fundierte Kenntnisse aus der
    orthomolekularen Medizin nötig. 
    Zudem ist die orthomolekulare Medizin zu Unrecht in Verruf
    gekommen , auch weil zu viele Kitschpräparate im Bereich der Vitamine und Mineralstoffe
    auf dem Markt sind. Hier Details.
    Bachblüten z.B. Rescuetropfen können im Anfall die
    Symptomatik kupieren.
    In der Akupressur werden folgende Punkte zum Massieren
    empfohlen: Kinnspitze, der Punkt unterhalb des Brustbeines sowie die Kniepunkte unterhalb
    der Kniescheibe, die seitlich gelagert in einer kleinen Grube sind. Diese Punkte sollen
    jeweils einige Minuten massiert werden. 
    Auch wenn es um unbewußte Prozesse geht, hilft es doch auch
    den meisten zumindest ein bißchen, wenn sie sich klar machen, daß nichts gefunden wurde,
    daß sie den letzten Anfall auch irgendwie überstanden haben und daß die Heilungschancen
    durch die Psychotherapie ausgesprochen gut sind, während die völlige Heilung bei
    organischen Herzerkrankungen äußerst schlecht sind.
    Zum Abschluß will ich nicht unerwähnt lassen, daß es auch
    Patienten gibt, die gut klar kommen, wenn sie wie bei Asterix immer ihr Zauberfläschchen
    dabei haben, in dem irgendwann einmal Valium war, das irgendwann unbemerkt von einer guten
    Freundin gegen Wasser mit entsprechendem Geschmack ausgetauscht wurde.
    P.s. Wenn ein zufällig dieses Merkblatt lesende Fachkollege
    entsetzt ist über meine dilettantische Darstellung, möge er bedenken, daß ich es im
    Sinne der Verständlichkeit geschrieben habe und bewußt zum didaktischen Werkzeug der
    Vergröberung gegriffen habe und mir verzeihen. Die Schule kennt nun mal kein
    Korrespondenzfach für Medizin und Psychotherapie. Krankheitsbewußtsein ist ein Prozeß,
    der von der Vergröberung zur Verfeinerung geht.